Hölderlin-Nürtingen

Veranstaltungsreihe Ein Zeichen sind wir in China

Hölderlin in China – Das Wagnis hat sich tausendfach gelohnt

Gut ist ein Gespräch und zu sagen des Herzens Meinung. But good is converse, and to speak the heart´s opinion.

Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung ist eine dreijährige Veranstaltungsreihe unter gemeinsamer Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler und Staatspräsident Hu Jintao. Von 2007 bis 2010 präsentiert sich Deutschland in ausgewählten chinesischen Großstädten unter dem Generalthema „Städte in Bewegung“ als modernes, kreatives und zukunftsorientiertes Land.

Der deutsche Dichter mit den unlösbaren Wurzeln in Nürtingen ist tatsächlich im Reich der Mitte angekommen. Friedrich Hölderlin stand im Mittelpunkt einer Hommage, die die Universität Nanjing gemeinsam mit der Nürtinger Hölderlininitiative im Oktober 2007 erfolgreich umsetzte. Damit wurde das Konzept der Hommage „Ein Zeichen sind wir“, die im Frühjahr 2007 in Nürtingen begeisterte, auch in China zum Erfolgsgaranten.

Beteiligte Künstler und Wissenschaftler

Susanne Hinkelbein

Komponistin, Pianistin (musikalische Leitung) Musikalische Leiterin u.a. am Landestheater Tübingen und am Schauspiel in Köln. Freischaffend tätig für zahlreiche Theaterhäuser u.a. in Basel, Zürich, Hamburg, Düsseldorf. Eigene Werke und Kompositionsaufträge u.a. für die Hölderlin-Produktionen des Theaters Lindenhof und des Vereins Hölderlin-Nürtingen e.V.

Jeschi Paul

Sängerin. Gesangsausbildung u.a. bei Prof. Hanna Liska-Aurbacher. Ausbildung als Chorleiterin. Lehrbeauftragte für Jazz- und Popgesang an der Musikschule Stuttgart. Singt in verschiedenen Formationen, eigene CD-Produktionen. Studiosängerin für Tonträgerproduktionen diverser Stilrichtungen. Klassische und geistliche Konzerte als Mezzosopran.

Martin Keller

Saxophon Lehrbeauftragter für das Fach Saxophon Musikschule Winnenden und Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. Erster Vorsitzender der IG Jazz Stuttgart, spielt in verschiedenen Formationen, eigene CD-Produktionen.

Thomas Stephan

Freier Fotograf (Bühnenbild) Studium Foto-Design in Dortmund. Debütierte bei Geo 1982 in dem GEO-Spezial „Bedrohte Tiere“, veröffentlichte seither rund 40 Reportagen bei GEO. 1. Platz beim World Press Award 1988 in der Kategorie Wissenschaft und Technik. In den vergangenen Jahren hat er sich zunehmend auf die Naturfotografie spezialisiert, wobei sein Hauptinteresse dem Naturerbe Mitteleuropas gilt, 2005 erschien das GEO-Buch „Natur in Deutschland“.

Ingrid Dolde

Linguist MA (Konzeption und Regie) Projektleitung verschiedener Produktionen im Bereich Theaterpädagogik. Verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung der Hölderlin-Hommage „Ein Zeichen sind wir“.

Zhengxiang Gu

Hölderlinexperte (wissenschaftliche Beratung) Professor (Hangzhou), Doktor der Germanistik. Studium der Germanistik in Shanghai und Tübingen. Übersetzer und Dolmetscher, diverse Forschungsarbeiten unter anderem über Hölderlin und Goethe. Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen in chinesischer und deutscher Sprache.

Aufführungen

19.–26.10.2007 Deutschlandpromenade Nanjing, China
19.10.2007 Ein Zeichen sind wir Eröffnung der Promenade 19:50 Uhr CST
20.10.2007 Ein Zeichen sind wir Universität Nanjing 20:00 Uhr CST

Impressionen aus Nanjing

Fotos: ©Thomas Stephan

 

Ein Erfahrungsbericht von Ingrid Dolde, Oktober 2007

Hölderlin in China – das Wagnis hat sich tausendfach gelohnt

„Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ ist eine dreijährige Veranstaltungsreihe unter gemeinsamer Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler und Staatspräsident Hu Jintao. Von 2007 bis 2010 präsentiert sich Deutschland in ausgewählten chinesischen Großstädten unter dem Generalthema „Städte in Bewegung“ als modernes, kreatives und zukunftsorientiertes Land. Ziel ist es, der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit auf breiter Basis zusätzliche Impulse zu geben. Die Deutschlandpromenade, das Herzstück der Veranstaltungsreihe bot vom 19. bis 27. Oktober 2007 in Nanjing eine Bühne für Wirtschaft, Kultur und Bildung aus Deutschland.

Nürtingen, hier hat alles begonnen, am Neckar, in der Hölderlinstadt. Und in diesem Zusammenhang darf sich Nürtingen wirklich Hölderlinstadt nennen. Einstmals fassten drei Schulfreunde den Vorsatz, mit einer Hommage den großen Dichter Friedrich Hölderlin, dessen Leben verwoben ist mit eben jenem Nürtingen, mit einer Hommage zu feiern. „Ein Zeichen sind wir“ wiederum wurde im Frühjahr 2007 vom Publikum gefeiert, und die nächste Idee wurde gleich geboren: Hölderlin sollte nach China reisen. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts organisierte der Nürtinger Udo Hoffmann die Promenade und  das Kulturprogramm und bat seine Freunde, sich um die Teilnahme an der Deutschlandpromenade zu bewerben.

Bis die schwäbische Delegation aus Nürtingen mit der Hölderlin-Hommage „Ein Zeichen sind“ wir im Gepäck im Reich der Mitte landen konnte, mussten noch zahlreiche, auch finanzielle Hürden genommen werden. Sich zu bewerben ist die eine Seite, eine finanzielle Grundlage zu haben die andere. Passendende chinesische Partner zu finden, die die künstlerischen Anforderungen meistern können, war die nächste Herausforderung. Beim Hölderlin-Projekt fanden sich schnell chinesische Partner, mit denen sich die Verwirklichung bewerkstelligen ließ, zumindest war die Zusammenarbeit viel versprechend. Um die Finanzierung des Projekts gab es im Vorfeld ein Tauziehen, weil zunächst keine Institution sich dieser Hölderlin-Initiative annehmen wollte. Dankbar sind die Initiatoren der Baden-Württembergischen China-Gesellschaft, die spontan das Vorhaben unterstützte und somit den Grundstock zur Verwirklichung legte. Die umfangreichen Vorbereitungen in Deutschland konnten so leichter bewältigt werden. Schließlich konnte die Nürtinger Delegation auf Einladung des Goethe-Instituts nach Nanjing reisen.

Doch nun ist der deutsche Dichter mit den unlösbaren Wurzeln in Nürtingen tatsächlich im Reich der Mitte angekommen. Friedrich Hölderlin stand im Mittelpunkt einer Hommage, die die Universität Nanjing gemeinsam mit der Nürtinger Hölderlin-Initiative erfolgreich umsetzte. Damit wurde das Konzept der Hommage „Ein Zeichen sind wir“, die im Frühjahr in Nürtingen begeisterte, auch in China zum Erfolgsgaranten.

Die Deutschlandpromenade fand auf dem Platz vor der neuen Zentralbibliothek in Nanjing statt. Der dominante Gebäudekomplex der Bibliothek ist von Hochhäusern umgeben und bot eine imposante Kulisse für die Veranstaltungsreihe, die am Freitag, 19. Oktober 2007 mit der gemeinsamen chinesisch-deutschen Hölderlin-Aufführung eröffnet wurde. In dieser zweisprachigen Aufführung wurden Hölderlinvertonungen von Johannes Brahms, Hanns Eisler und Susanne Hinkelbein für Chor, Orchester und Solosängerin erstmals in China aufgeführt. Die Sängerin Jeschi Paul, begleitet vom Saxophonisten Martin Keller, zog das chinesische Publikum in den Bann. Der Höhepunkt war die Uraufführung von „Die Liebe“, einer neuen Komposition von Susanne Hinkelbein, die schon nach den ersten Takten mit begeistertem Klatschen begleitet wurde.

Der im klassischen chinesischen Stil erbaute Festsaal der Universität bot einen feierlichen Rahmen für die zweite Aufführung in Nanjing. Das auf die musikalischen Elemente konzentrierte Programm der Promenade wurde um Ansprachen, Rezitationen und weitere Moderationen ergänzt. Weiterer Beiträge kamen von Dr. Gu Zhengxiang und dem chinesischen Dichter Sang Hengchang, der eigene Gedichte über Hölderlin rezitierte. Mit großer Konzentration folgten die begeisterten Zuhörer der Aufführung, die deutsch-chinesische Zusammenarbeit wurde mit viel Beifall bedacht. Das aufwändig gestaltete zweisprachige Programmheft mit Hölderlin Gedichten brachte dem Publikum an der Universität die Lyrik Hölderlins näher. Hölderlinzitate auf Lesezeichen und Postkarten mit Motiven aus Nürtingen waren, neben den Programmheften begehrte Souvenirs.

Die deutsche Dozentin Annette Hillers-Chen koordinierte maßgeblich die Zusammenarbeit mit den ca. 150 Mitgliedern von Chor und Orchester der Universität Nanjing. Dr. Kristina Binder, DAAD Lektorin, organisierte mit ihren Deutschstudenten die Textarbeit, Programmheftgestaltung und Öffentlichkeitsarbeit. Auf deutscher Seite war Ingrid Dolde für Konzeption und Organisation verantwortlich. Chor und Orchester der Universität Nanjing hatten sich schon seit Wochen auf den gemeinsamen Auftritt vorbereitet. Es galt, die vertonten und ins Chinesische übersetzten Hölderlingedichte den Chormitgliedern nahezubringen. Das Wagnis, Vertonungen von deutschen Hölderlintexten auf Chinesisch singen zu lassen, hat sich tausendfach gelohnt. Die Zusammenarbeit ist mit Freude und Begeisterung bis zu den beiden Aufführungen fortgesetzt worden. Die Deutsch-Studenten der Universität Nanjing konnten spontan auf die für sie ungewöhnlichen Formen der chorischen Rezitation und des schauspielerischen Improvisierens eingehen. Unter fachlicher Anleitung moderierten sie die Auftritte an der Promenade und der Universität.

Aus Tübingen begleitete die schwäbische Delegation Dr. Gu Zhengxiang, der als chinesischer Hölderlin-Experte vor allem bei den Proben mit dem chinesischen Chor der Musikerin und Komponistin Susanne Hinkelbein als Übersetzter zur Seite stand. So konnten die Sprachhürden professionell gemeistert werden, und die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit um musikalischen Ausdruck und das Feilen an Nuancen wurde zu einer für alle Seiten wunderbaren und unvergesslichen Zusammenarbeit. Die Sprachbarrieren zu überwinden, wurde so zur inhaltlich interessanten Aufgabe. Eine weitere chinesisch-deutsche Begegnung im Namen Hölderlins war die mit dem chinesischen Dichter Sang Hengchang, der von den deutschen Organisatoren eingeladen worden war. Herr Sang besuchte im Jahr 2002 in Nürtingen eine Theateraufführung über Hölderlin und wurde durch dieses Erlebnis zu eigenen Gedichten über Hölderlin angeregt, so auch durch die Hölderlin-Veranstaltungen in Nanjing. Das dort entstandene Gedicht liegt leider noch nicht in deutscher Übersetzung vor.

Zum Erstaunen der Musiker aus Baden-Württemberg präsentierten die chinesischen Chormitglieder ihr Notationssystem, in das sie handschriftlich die aus Nürtingen gelieferten Noten umgesetzt hatten. Das reduzierte die gemeinsame Basis auf die reine Umsetzung der Musik, da so, neben der Sprache und der Schrift, auch die Noten keine Gemeinsamkeiten bieten konnten. Trotzdem wurde die gemeinschaftlich gestellte Aufgabe mit Begeisterung und Hingabe gemeistert. Die für die Gedichte Hölderlins komponierten Chorsätze klingen in Chinesischer Übersetzung wunderbar und vollkommen harmonisch. Das größte Wagnis der ganzen Unternehmung – Hölderlins Gedichte auf  Chinesisch singen zu lassen – hat sich tausendfach gelohnt.

 

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